Wie die Tschechen im Lockdown zu einer Radfahrernation wurden

Wie die Tschechen im Lockdown zu einer Radfahrernation wurden

Wie die Tschechen im Lockdown zu einer Radfahrernation wurden
Radfahren gehört in der Tschechischen Republik zu den beliebtesten Sportarten. Die Entwicklung in der Coronakrise hat jedoch alle Erwartungen übertroffen. Menschen jeden Alters schwangen sich in den Fahrradsattel und überfluteten regelrecht die Landschaft. Selbstverständlich in den für Tschechien so charakteristischen, obligatorischen Atemschutzmasken. Werfen Sie einen Blick darauf, welche Radwege bevorzugt werden. Wenn Sie nach dem Lockdown wieder einmal die Tschechische Republik besuchen, können Sie dieselben Routen befahren, wie die hiesige Bevölkerung. Von uns erhalten Sie die besten Tipps.

Obwohl kaum tschechischen Sportler in der internationalen Radsport-Spitze vertreten sind, gehört das Radfahren zu den beliebtesten Freizeitaktivitäten des Landes. An den Wochenenden ist der Anblick von Stadtbewohnern mit Fahrrädern auf dem Autodach typisch, die in ländliche Regionen unterwegs sind. Und in Zeiten der Corona-Pandemie wurde überraschenderweise kein Rückgang verzeichnet, sondern es kam zu einem raketenartigen Anstieg. Was war geschehen?

Obwohl die tschechische Regierung als eines der ersten Länder im Kampf gegen das Virus strenge Einschränkungen verhängte, waren diese im Endeffekt nicht so streng wie in vielen anderen Ländern. Tschechen wurde vom Reisen und von privaten Besuchen abgeraten. Die Einkaufscenter, Restaurants, Kinos und Theater, alle Sportplätze unter freiem Himmel, Turnhallen, Krafträume und Fitnessstudios wurden geschlossen. Zu Beginn durften Menschen nur Lebensmittel, Medikamente u. Ä. einkaufen ... doch etwas durften sie noch: Sie durften sich im Freien aufhalten und in der Natur sein, obwohl zu Beginn maximal zu zweit und mit Atemschutzmaske.

Dieser teilweise Lockdown hatte eine fast wundersame Wirkung. Die Radwege, Parkanlagen und die Natur wurden, mit Ausnahme der privaten Haushalte, zu den einzigen Bereichen für Sportaktivitäten. „Die Menschen hatten bald genug vom Zuhausesitzen und da alles geschlossen war, mussten sie an die frische Luft, spazieren gehen, laufen, trainieren und insbesondere Radfahren. Was ich daran so interessant finde, ist die Tatsache, dass sich auch Familien, die sonst Sportmuffel sind, zu mehr Bewegung motivieren konnten“, lautet die Bestandsaufnahme der Journalistin Tereza Robinson.

„Je kleiner der Aktionsradius, desto mehr sahen sich die Menschen gezwungen, sich genauer umzusehen. Und zu den ersten Dingen, die ihnen auffielen, gehörten geparkte Fahrräder in Garagen und Kellern. Und da hat sich vollumfänglich gezeigt, dass die Tschechen keine Fußballer- sondern eine Radfahrernation sind. Irgendwo habe ich gelesen, dass bis zu 6 Millionen Tschechen ein Fahrrad besitzen“, betont Martin Huleja, Experte für Marketing, Kommunikation und Sportmanagement.

Viele Menschen wählten wieder lokale, kleine Geschäfte und Fahrradwerkstätten – entweder aus Solidarität oder deshalb, weil die großen Shops geschlossen waren. Während sich einige Händler darüber sorgen, ob sie die Krise überleben werden, verzeichnen Sport- und vor allem Radgeschäfte einen regelrechten Boom.
„Wir bedienen immer mehr Kunden, die uns erzählen, dass sie seit Jahren nicht mehr Rad gefahren sind und damit jetzt wieder beginnen. Wir verkaufen viel mehr Fahrräder auch aus der „günstigeren“ Freizeitkategorie zwischen 450 und 600 Euro. Ganze Familien kaufen jetzt die fehlende Ausrüstung nach, wodurch natürlich auch der Absatz an Kinderrädern stark ansteigt“, bestätigt Lukáš Princ, Miteigentümer von Ski and Bike Centrum Radotín, eines großen Sportgeschäfts mit Rad- und Skiverleih in Prag.

Und viele weitere große Radgeschäfte/Verleihstellen verzeichnen eine ähnliche Entwicklung. Bereits Anfang Mai hieß es, dass sie es kaum schaffen, die Vorräte in den Geschäften aufzufüllen, und wenn die Entwicklung so weitergeht, wird es bald keine Ware mehr zum Nachfüllen geben.
Die Tschechen und natürlich auch die Besucher aus dem Ausland haben außerdem den Vorteil, dass die tschechische Naturlandschaft Tausende von Kilometern durch wunderschönes Terrain für jeden Radtyp – Mountainbikes, Trekkingbikes und Rennräder – anbietet. Und das in fast allen Landesteilen. Im Gebirge, das die Tschechische Republik von fast allen Seiten umgibt, finden Sie anspruchsvolle Strecken für Fans von Mountainbikes und E-Bikes. Die Ebenen in der Teichlandschaft Südböhmens, entlang der Elbe östlich von Prag und in den Weinbaugebieten Südmährens in der Nähe der österreichischen Grenze sind wie geschaffen für gemütliche Radtouren. Sehr beliebt sind auch die romantischen Radwege entlang tschechischer Flüsse.
Viele Menschen in Tschechen fragen sich aktuell, ob dieser extreme Anstieg von Radausflüglern nur vorübergehend ist oder langfristig bleibt. Könnte dies eine Renaissance der Freizeitgestaltung mit der Familie in der Natur bei Spaziergängen oder auf dem Fahrrad einleiten? Vieles deutet genau darauf hin – zumindest teilweise.

„Meiner Meinung nach kehren viele Menschen mit der Zeit wieder in ihre Fitnessstudios, Turnhallen, und Tanzsäle zurück. Doch das wird langsam erfolgen und nicht alle werden die alten Gewohnheiten wieder aufnehmen. Auch deshalb nicht, weil der Aufenthalt in Sportstätten immer noch stark eingeschränkt ist – geschlossene Umkleideräume und Duschen ... Und es wird auch Menschen geben, die den Zauber gemeinsamer Familienausflüge wiederentdeckt haben“, denkt Martin Máčel, Präsident des Tschechischen Inlineskates-Verbandes und Mitglied des Radverbandes.

„Positiv ist zu sehen, dass auch die Kinder mehr Bewegung haben und nicht zuhause sitzen. Diese Entwicklung könnte auch nach der Aufhebung aller Einschränkungen teilweise anhalten. Viele Erwachsene haben die Erfahrung gemacht, dass sie mit dem Fahrrad auch in die Arbeit fahren könnten“, sagt der passionierte Radsportler Lukáš Drvota und denkt weiter: „Vielleicht könnte dies für viele Menschen allgemein eine Art Lehre sein, um zu entschleunigen und nicht immer nur nach mehr Geld und Leistung zu streben.“

Und wohin könnten Sie nach Vorbild der Einheimischen aufbrechen, wenn Sie wieder in Tschechien sind?

Tipp 1 Entlang des Flusses Sázava

Die attraktive Strecke in südlicher Richtung von Prag, entlang des Flusses Sázava können Sie in Luka pod Medníkem starten und beenden. Die Radtour führt vorbei an alten Bergbaustollen, an einem Eisenbahnviadukt, durch alte Wanderer-Siedlungen und an Dutzende schöne Aussichtspunkte mit Blick auf das Sázava-Tal.
 

Tipp 2 Durch die Teichlandschaft Südböhmens

Die Radtour rund um die südböhmischen Teiche ist für die gemütlichen Radfahrer unter Ihnen und die Wasserratten bestimmt. Sie fahren in Lomnice nad Lužnicí in östlicher Richtung los. Das Highlight dieser Radtour sind die schönen Deiche des Teichsystems Naděje, das 1577 vom berühmten Teichbauer Jakub Krčín von Jelčany errichtet wurde. Sie werden Teichen mit ganz besonderen Namen – Skutek (Tat), Láska (Liebe), Dobrá vůle (Guter Wille) oder Víra (Glaube) – begegnen.

Tipp 3 Zu den Schlössern der Region Haná

Diese Radtour in Mähren im Osten der Tschechischen Republik beginnt in Náměšť na Hané und führt durch die Regionen Haná und Drahaner Bergland. Unterwegs erwarten Sie die Schlösser in Náměšť, in Čechy pod Kosířem, Plumlov sowie eine alte Feste. Ihren Ausflug beenden Sie am attraktiven Aussichtsturm Kopaninka, von wo aus sich bei schönem Wetter eine atemberaubende Aussicht auf das Altvatergebirge und den Gebirgsrücken Hostýnské vrchy bietet.